Freitag, 16. Dezember 2011

Ayurveda Pharmaceuticals, Teil 2

Jolly etikettiert
Die Frauen der Fabrik sind äußerst reizend. Jolly bedient die Walzen mit großer Hingabe, während sich Molly und Das Etikettieren kümmert. Mütterlich nimmt mich Molly mit in ihr Zimmer. Nicht nur die Menschen sondern auch der Strom streikt und so sitzen wir permanent im Finsteren. Sie lässt mich die Dosen mit einem Fön einschweißen. Das ist gar nicht so einfach.

Einige Frauen der Ayurveda Fabrik
Molly Mitte, Jolly rechts
Um halb elf und halb drei gibt es Kaffeepause. Molly, Jolly und ich sitzen auf hölzernen Hockern in der Küche und schlürfen schwarzen Kaffee mit Zucker. Im Gespräch trumpfe ich mit meinem umfangreichen Malayalam Wortschatz auf. „Nanni“ (danke) und „kadicho“ (habe gegessen) nehmen Sie kichernd zur Kenntnis und erweitern meinen Survival-Wortschatz um „Sugamano?“ (Wie geht’s dir). Die Antwort ist „Sugamana“ oder kurz „Suga“. Obwohl sie so wenig Englisch wie ich Malayalam spreche, können wir uns gut unterhalten.

Fertige Ayurveda Produkte
Auch die Männer der Fabrik sind herzlich und zeigen mir alles, was ich sehen will. Zum Abschluss bekomme ich ein Badepulver und Kosmetikdosen geschenkt und Molly lädt mich zu sich nachhause ein. Sie wohnt im Nachbardorf in einem alten Haus zusammen mit ihrem erwachsenen Sohn. Der Ehemann ist vor einigen Jahren an Krebs gestorben. Molly steht – wie viele Frauen – täglich um 5 Uhr auf, kocht Reis für Frühstück und Mittagessen und geht dann zur Arbeit. Die Abende sind meist dem Haushalt gewidmet. Sonntags geht es in die Kirche.

Mein Ausflug in die Welt der Pflanzen war herrlich. Bald werde ich die herzlichen Frauen und Männer der Fabrik wieder besuchen.

Ayurveda Pharmaceuticals, Teil 1

8:30 Uhr morgens. Die Firmentore bleiben heute geschlossen, denn es wird  demonstriert.  Stein des Anstosses ist wieder der Mullaperiyar Damm – ein Dauerbrenner der letzten Jahrzehnte, wie mir Jomon erklärt. Er erinnert sich an einen Fehlalarm im Kindesalter, als die Bewohner seines Dorfes beim Ausruf „Wasser kommt“ auf Anhöhen geflüchtet sind. Nun gut. Dieser Anlass gibt mir Gelegenheit, mir die Produktionsstätte der Ayurveda Präparate anzusehen.

Rohwarenlager
Ich spaziere in die Fabrik und werde wie üblich von allen auf das freundlichste begrüßt. Der Chef sei nicht da, sagen sie und zucken ratlos die Schultern. „Ich möchte mithelfen“ antworte ich und schon ist das Strahlen in den Gesichtern wieder zu sehen. Mit großer Umsicht werde ich in der Fabrik herumgeführt und lande im Untergeschoss, wo ich einer Arbeiterin beim Abwiegen und Verschweißen der Säckchen zur Hand gehen soll. Sie füllt ein Schäufelchen Badepulver – u.a. bestehend aus Vertiver und Kurkuma – ein und ich kontrolliere dann, ob genau 50 g drinnen sind.
Zerkleinerungsmaschine
Meine Neugier hält mich nicht lange am Platz. Ich laufe durch die Produktion und entdecke das Pflanzenlager.  PDS kauft die Kräuter, Wurzeln und Gewürze bei den Bauern ein und lagert sie getrennt. Dann werden sie händisch und anschließend maschinell zerkleinert. Von dort geht es in die großen Kochtöpfe, wobei einer einen Durchmesser von ca. 1.5 Metern hat. Die Pflanzen werden – je nach Rezept – bis zu mehreren Tagen in Wasser oder Öl gekocht. Die verbleibende Flüssigkeit wird händisch aus der Masse gepresst.

Pflanzen werden gekocht
Die Sahyadri Fabrik stellt 260 Präparate in Form von Ölen, Pulver, Getränken und Pillen her. Für die Produktion eines Weines aus Stachelbeeren wird die Flüssigkeit mehrere Monate in Kanisten gelagert. Alle anderen Öle und Getränke werden direkt in Fläschchen abgefüllt.

Walzmaschinen
Für die Herstellung von Pillen werden die zerkleinerten und gekochten Pflanzen auf Maschinen aus Stein ausgebreitet. Die Walzen fahren tagelang auf und ab und kneten die Masse,  bis sie die richtige Konsistenz erreicht hat. Dann werden dünne Schnüre geschnitten, die dann in einer Art Topf ihre Kugelform bekommen.

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Daily life - Part 2

Dank meiner Arbeitskollegen wächst mein Wortschatz in der lokalen Sprache Malayalam rasant. In den Genuss des Sprachlehrers kommen dabei alle, die mir am Gang über den Weg laufen. Ich versichere mich dann, ob es draußen regnet oder ob sie gegessen haben (manchmal auch, ob sie gewaschen sind …es gibt da gewisse Ähnlichkeiten im Vokabular). Als der Kollege am Mittagstisch fragt, was ich esse und von mir „ich bin aus Potupara“ kommt, brechen alle in Gelächter aus. Abends verabschiede ich mich mit einem „Pinne kanam“ (bis bald) und es schallt mir ein „Tschüss“ entgegen.
Ramany mit ihrer Tochter
Kleidung und Schmuck ist ein beliebter Gesprächsstoff der Mädchen. Sie tragen allesamt Hosen, darüber eine lange Bluse und einen Schal, der den Busen bedeckt. Meist werden die Kleider maßgefertigt, was inkl. Stoff etwa 500 Rupies (8 Euro) kostet. Die schwarzen dichten Haare tragen die Frauen lang und zusammen gebunden. Darin klebt jede Menge Haaröl. Sie tragen Goldschmuck und zwischen den Augen ein Bindi (der bunte Sticker bedeutet „religiös“; eine rote Markierung am Haaransatz bedeutet „verheiratet“.)
Ramany, Sandra, Sini & Anju
Ihren Blicken entgeht nichts. Jedes meiner Muttermale wurde schon inspiziert, jedes Paar Ohrringe unter die Lupe genommen. Täglich versuche ich, sie mit meinem Erscheinungsbild zu beeindrucken, doch sie geben – dankenswerterweise – immer neue Ratschläge, wie ich noch indischer aussehen kann. Neulich zaubere ich ein blaues Shirt aus dem Kasten, eine Rarität aus Wien, die indisch aussieht. In der Hoffnung auf ein bejahendes Kopfnicken stürme ich in ihr Zimmer und ernte Entsetzen. Statt auf das Shirt schauen sie auf meine Hose und kriegen große Augen. „Lots auf Problems“ urteilt die dreiköpfige Jury. Meine dunkelblaue Hose sei transparent und das Shirt viel zu kurz. Beschämt tapse ich aus dem Zimmer.
Kulturelle Faux-Pas sind aber nicht auf die Kleidung beschränkt. Als ich mir beim Essen genüsslich die Kichererbsen in den Mund stopfe, klopft mir Joseph auf die Hand. Die linke Hand verwenden die Inder nur auf dem Örtchen mit der Doppel-Null. Sofern Mädchen lange Fingernägel tragen, haben sie diese nur auf einer Hand.
Meine Begeisterung über das herrliche sonnige Wetter teilen nur äußerst wenige Kollegen, weshalb mein Mittagsspaziergang zur Teefabrik stets allein ausfällt. Die bereits dunkle Haut könnte noch dunkler werden und diesen Umstand gilt es, um jeden Preis zu verhindern z.B. mit einem Sonnenschirm.

Daily life - Part 1

PDS Office in Potupara
Ich wohne hier in einem winzigen Dorf – besser gesagt fünfzehn verstreute Häuser – im Gästehaus der Ayurveda Sparte, wo behandelt und massiert wird. Auf unserem Gelände ist eine kleine Kirche, ein Ayurveda Spital samt Apotheke und ein Ausbildungsinstitut.
Joseph, der beste Koch Keralas
Kulinarisch werde ich von Joseph versorgt. Er spricht kaum Englisch aber trotzdem unterhalten wir uns prächtig. Er fragt täglich, wann ich endlich einen „Kerala Mann“ heirate. Sein neu gebautes Haus mit der bunten Fassade steht hinter dem Gelände. Seit 18 Jahren arbeitet er für PDS. Nach drei Wochen kennt er meinen Geschmack und er kocht für mich, was ich gerne mag: morgens Reis mit Kochbanane und schwarzem Kaffee und abends Suppe oder Gemüse mit Weizenflade und Salat. Mittags gibt es in der Kantine Reis mit Curry. Nachdem mir die Beilagen wir Steine im Magen liegen – was an der großzügigen Verwendung von Kokosnussöl liegt – verzichte ich öfters darauf.

Auf dem Weg in die Küche liegt das Büro des Direktors, Father Hubby. Dieser Priester ist ein Sonnenschein und äußerst fleissig. Jeden Morgen hält er die Messe, frühstückt danach und arbeitet dann bis in die Nachtstunden. Dazwischen plaudern wir, tauschen uns über Ausflugsziele oder Wanderungen aus und machen Scherze. Father Hubby mag meine fröhliche Salsa Musik.
Jomon in seinem Büro
Am Gelände wohnt Jomon, unser Finanzchef. Er hat ein Motorrad und nimmt mich morgens ins Büro mit. Das ist eine kurvige Fahrt von 5 km. Wenn wir den Hügel hinauf zur Fabrik fahren, winken und kichern die Kollegen. Ich bin mittlerweile daran gewöhnt, immer aufzufallen. Täglich winken mir fremde Leute zu und Kinder fragen „Excuse me: what is your name?“. Auf der Straße kommen die Autofahrer nicht drum herum, auf die Hupe zu klopfen. Blonde Haare und helle Haut reichen als Grund völlig aus.

Bio Gewürze aus Indien

PDS Organic Spices Office

Ich habe bis jetzt verschwiegen, was mich nach Kerala treibt. Es sind die herrlichen Gewürze und die traumhafte Natur. Dabei wurde mir nicht zu viel versprochen. Zu Recht behaupten die Keralis, ihr Bundesstaat sei „God’s own country“. Die nächsten Wochen verbringe ich bei einer Firma, die biologische Gewürze von 2.200 Kleinbauern der umliegenden Distrikte einkauft, verarbeitet und nach Europa exportiert. Meine Aufgabe besteht in der Vorbereitung einer internationalen Messe, die im Februar in Nürnberg stattfinden wird.

Trocknung von weissem
Pfeffer vor der Fabrik
Die Firma gehört zu einer katholischen NGO namens Peermade Development Society, die in 18 Bereichen tätig ist. Dazu zählen die Tee- und Gewürzproduktion, die Ayurveda Sparte sowie Programme für Frauen und Jugendliche und Unternehmensgründer. PDS wurde in den 80er Jahren gegründet, weil die Kleinbauern in den Bergen mit sinkenden Ernteerträgen und Einkommen konfrontiert waren.

Das änderte sich, als sie auf biologischen Anbau umstellten. Heute produzieren alle 2.200 Bauern Gewürze ohne die Verwendung von Pestiziden, 680 Bauern sind Fairtrade zertifiziert, 69 betreiben biodynamische Landwirtschaft. In speziellen Workshops lernen sie, neue Einkommensquellen zu erschließen, indem sie bspw. Kunsthandwerk aus den Abfällen der Pflanzen erzeugen.

mit Josef Zotter und MitarbeiterInnen
Wie erwähnt, besteht meine Aufgabe darin, die Vermarktungsaktivitäten der Firma zu unterstützen und Kontakte herzustellen. Im Zuge dessen hat uns Mitte Dezember der österreichische Schokoladenproduzent Josef Zotter besucht, der diverse Gewürze wie Kardamom oder Pfeffer in seinen Schokoladen verarbeitet. Eine schöne Begegnung.


Dienstag, 6. Dezember 2011

Backwaters & Beach

Im öffentlichen Boot
Es ist 6 Uhr morgens als ich mit einer Taschenlampe durch die Finsternis tappe, um mein kleines Bergdorf vorübergehend zu verlassen. Ein Besucher hat mir von den herrlichen Stränden Keralas berichtet. Seitdem quälen mich Tagträume, in denen ich in den Dünen sitze und dem Meer lausche. Also nichts wie hin.


Palmenkulisse in den Backwaters
2.5 Stunden und rund 110 Kurven später erreiche ich die nächstgrößere Stadt Kottayam, wo es schon deutlich wärmer ist als auf dem Berg. Um den Touristenfallen zu entgehen, nehme ich das öffentliche Boot – ein alter Holzkarren – um durch die Backwaters zu kurven. 2.5 Stunden romantische Fahrt um ganze 15 Cent. Das nenne ich ein gutes Preis-Leistungsverhältnis.

Die Backwaters bestehen aus ausgedehnten Kanalsystemen und Seen. Einige benützen das Boot, um zu ihrem Haus zu gelangen. Andere, um in die nächste Stadt zu übersetzen. Unzählige Palmen und Bananenstauden säumen das Ufer. An unserem Boot ziehen große imposante Hausboote vorüber, die mit  Küche und Wohnzimmer im Freien inkl. TV bestens ausgestattet sind. Die Wellen schaukeln uns von einem Ayurveda Ressort zum nächsten, bis das Boot gemächlich in Allepey eintrudelt.

Das schlichte Guesthouse ist nur wenige Schritte vom Meer entfernt. Den Anblick des langen weißen Sandstrandes beeindruckt mich derart, als hätte ich nie zuvor einen Strand gesehen. Bei rund 35 Grad und wärmsten Wassertemperaturen sind allerdings kaum Menschen im Meer auszumachen.


Für indische Frauen schickt es sich nicht, baden zu gehen. Einige Jugendliche kratzen die Sitten nicht und tollen mit Unterwäsche im Wasser herum. Andere baden mit Kleidung. Größtenteils aber meiden die InderInnen die Hitze und kommen erst bei gemäßigten Temperaturen ab vier Uhr nachmittags an den Strand. Der Sonnenuntergang gg. 18:00 Uhr ist das Highlight. Danach wird es wieder ruhig.

Chilis trocknen in der Sonne
Die Häuser am Strand erwecken den Eindruck einer indischen Kleingartensiedlung. Die Grundstücke liegen dicht neben einander und sind lediglich durch selbstgebastelte Zäune und Palmenblätter voneinander  getrennt. Hier kennt jeder jeden. In den Höfen werden Fisch und Gewürze getrocknet. Gekocht und gewaschen wird ebenfalls im Freien. 
Fischer mit ihrer Beute

Am nächsten Tag weckt mich der Muezzin. Es ist fünf Uhr dreißig und bald Zeit, die fünfstündige Heimreise zu Wasser und Land anzutreten. Keine Frage, der Strand in Kerala hat mich bald wieder. Diesmal mit Badebekleidung.


Freitag, 2. Dezember 2011

In den Kardamombergen

Tempel in Madurai
Aus den Städten kommend war Indien für mich bislang gleichbedeutend mit einem ewigen Getümmel an Menschen, Tieren und Fahrzeugen, permanentem Gehupe, Staub und Dreck.  Menschen, die zusammen gekauert am Boden schlafen und auf der Straße ihre Notdurft verrichten, ganze Familien, die auf einem Moped fahren; Kühe, Ziegen, Affen, die frei herumlaufen. Elefanten in Tempeln.


Grenzposten
Mein Bild von Indien ändert sich schlagartig, als ich den Grenzposten zwischen Tamil Nadu und Kerala überquere. Ich befinde mich mitten in den Bergen auf einem Pass, auf den sich der öffentliche Bus hinaufgequält hat.

Kardamom Hills

Die flache Landschaft von Tamil Nadu bot weite Felder mit Kokosnusspalmen, Bananen und Reis. Ganz anders der Osten Keralas: ein sattes Grün überzieht die Kardamom Berge. Im nimmersatten tropischen Wald wachsen Kaffee, Kakao, Tee und Gewürze wie Pfeffer, Ingwer, Kurkuma, Kardamom, Muskat und Vanille. Es ungewöhnlich sauber und ruhig. Jesu Statuen mit bunt blinkenden Lichterketten säumen die Straßen. Jeder Ort trumpft mit seiner eigenen Kirche auf.

Öffentlicher Bus in Kerala
Der Busfahrer scheint die Strecke gut zu kennen und nimmt gekonnt eine Kurve nach der nächsten. Prinzipiell empfiehlt es sich, vor einer Fahrt nur leicht zu essen, Lesestoff zur Seite zu legen und sich gut festzuhalten. Ebenfalls ist es ratsam, das Fahrtgeld abgezählt bei sich zu haben, damit der sich durch den Bus hantelnde Schaffner kassieren kann. In den Tiefen der Tasche etwas zu suchen grenzt – sofern man keinen Sitzplatz hat – an ein Kunststück.
Beinfreiheit für Männer
Die Männer im Süden Indiens tragen zu Hemden Wickelröcke, die je nach Lust und Laune hochgeschlagen werden. Frauen tragen bei jedem Wetter – auch bei Wind und Regen – die traditionelle Tracht bestehend aus Sari oder Kurta. Zum tadellosen Erscheinungsbild gehören edle Stoffe, Goldschmuck und Haaröl. Das Schuhwerk besteht bei Männern und Frauen aus Sandalen.

Iddli - südindisches Reisgericht
Mit dem unterschiedlichen Klima ändert sich auch die Küche: Reis wird in allen Variationen bis zu dreimal täglich gegessen. Dazu gibt es Chutney (Sauce) oder Gemüsebeilage. Abwechslung bietet Chapati, eine Weizenflade. Auf Brot, Eier und Käse verzichten die Bewohner Keralas gerne. Dafür wird ggf. ein kleines Stück Fisch oder Fleisch verzehrt.
Das Leben in den Kardamombergen ist entspannt und gemächlich. Trekking Fans und Naturliebhaber kommen voll auf ihre Kosten. Wer Unterhaltung sucht, bleibt womöglich nur kurz.