Samstag, 25. Februar 2012

Vier Hochzeiten und ein Todesfall

Besucht man eine Familie aus Kerala zuhause, dann wird nach dem Mittagessen und dem Gartenrundgang in der Regel das Hochzeitsalbum der Kinder gesichtet. Dieses ist meist eine Hand breit, zentnerschwer und liebevoll gestaltet (als Fotobuch oder Album). Leider war ich noch bei keiner indischen Hochzeit dabei. Ich möchte aber wiedergeben, was ich nach vier Alben darüber gelernt habe:

Jomons Schwester heiratet im
weissen Saree
Wie lernt sich ein indisches Paar kennen? Für die meisten (75%), mit denen ich bislang gesprochen habe, war die Hochzeit arrangiert. Der Vater hält (ggf. mit der Mutter) nach einer/m KandidatIn Ausschau. In einigen Fällen wird auch ein Heiratsmittler eingeschaltet. Töchter werden Anfang/Mitte zwanzig verheiratet; Männer Ende zwanzig / Anfang dreißig. Zuerst schaut man die Fotos der/s KandidatIn an. Wenn das Aussehen passt, dann besucht der Mann die Frau zuhause. Danach werden (ev. telefonisch) nähere Informationen über die Person, deren Familie und Umfeld eingeholt. 


Wohnort und finanzielle Verhältnisse der Familie zählen genauso wie das Horoskop der auserwählten Person. Wenn alles passt, dann besuchen sich die Familien der zukünftigen Eheleute gegenseitig. Danach gibt es eine (Familien-) Entscheidung über die Hochzeit. Eine arrangierte Hochzeit muss nicht bedeuten, dass das Paar unglücklich ist. Auf mich machten die meisten Paare einen durchaus glücklichen Eindruck. In einigen wenigen Fällen heiratet das Paar auch der Liebe wegen.

Glueckwuensche der Familie
Die Verlobung ist in Bedeutung, Größe und Anzahl der geladenen Gäste der Hochzeit gleichzustellen. Sie findet am Wohnort der Frau statt. Am Morgen der Verlobung treffen sich die engen Freunde, Familie und Priester im Haus der Frau, um zu singen und zu beten. Dann wird jeder Gast mit der Braut fotografiert. Am späten Vormittag macht sich der Tross zur Kirche auf, wo die Verlobte ihren zukünftigen Mann und seine Familie trifft. Der Messfeier in der Kirche folgt ein Empfang im Auditorium. Das Paar sitzt auf einem Podium wie König und Königin, es trinkt Wein und schneidet einen Kuchen an. Durchschnittlich kommen zwischen 600 und 1.000 Gäste zum Essen. Sind weniger als 300 Gäste anwesend, gelten die Brautleute als arm. Kommen mehr als 1.500 Gäste wiederum als reich.


Hochzeit von Ashok
Die Hochzeit läuft ähnlich ab. Sie findet am Wohnort des Mannes statt. Wieder treffen die Brautleute zuerst ihre Freunde und Verwandten zuhause, bevor sie in die Kirche schreiten. Teil der Messe ist die Übergabe eines roten Sarees, eines Rosenkranzes und der Eheringe. Wenn die Frau den Saree umhängt, bedeutet das, dass sie nun zu ihrem Mann gehört. Wieder folgt ein Essen mit einigen hundert bis tausenden Menschen. Am Nachmittag gehen die Familien der Brautleute in das Haus des Mannes und essen eine Jause. Bei diesen Größenordnungen verwundert es nicht, dass sich viele Inder massiv verschulden, um die Verlobung und Hochzeit bezahlen zu können.

So schön so ein Eheleben auch ist, manchmal geht es dann auch viel zu schnell zu Ende. Mit nur 32 Jahren ist vor kurzem ein dreifacher Familienvater aus Pothupara verstorben, als er am Bau in den Stromkreis geraten ist. Unmittelbar danach wurde der Leichnam zuhause aufgebahrt, damit sich Freunde und Familie verabschieden können. Schon am nächsten Tag wurde er beigesetzt.

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