Samstag, 25. Februar 2012

Der Ausländerbonus

Stolz kann ich verkünden, dass ich aus dem ersten Duell mit der indischen Post siegreich hervorgegangen bin. Früher als angekündigt - innerhalb von zwei Wochen - kam mein Paket mit „normaler Post“ in Mumbai an.  Der Triumph ermutigt mich, wieder in den Ring zu steigen und so schreite ich erneut in die ehrwürdigen Hallen einer Post Niederlassung. Diesmal soll die Fracht direkt nachhause gehen. 


Paket bekommt Wachssiegel
Für dieses Abenteuer plane ich – als alter Hase – zwei bis drei Stunden ein. Dass es eine Beschäftigung eines halben Tages werden sollte, stellte sich später heraus. Ich und mein Paket starten um halb 9 Uhr los. Nachdem ich ja geübt bin, steuere ich direkt den Herrenschneider an, der im Freien auf einer mit Fußpedal betriebenen SINGER Nähmaschine  arbeitet. Er nimmt sich meiner Sache an und schickt mich zum Textilhändler Stoff kaufen. Das Paket, die weiße Hülle und ich nehmen Kurs auf die Post. Ich frage ich mich zum Aufgabeschalter durch und gelange zum Schreibtisch einer jungen Frau. Rechts von ihr ragen einige zarte Ärmchen mit Formularen durch das Gitter des Schalters. Sie wacheln, aber mich die Postbeamtin sieht, wendet sie sich sofort „der Ausländerin“ zu. Aus Höflichkeit oder Neugierde, ist schwer zu sagen. Ich habe ungewollt eine Art „Bonus“.

Absender nach
Auftragen des Wachses
Zuerst die Adresse mit Marker auftragen, erklärt sie. Die Hülle sei OK, aber es fehlt das Wachssiegel. (Oh… eine neue Anforderung...) „Wo bekomme ich es?“ -  „Draußen, gegenüber der Post.“ Ich starte los, suche den Wachssiegel-Fertiger zwischen Snack Bars, Medical Shops und Augenambulanzen. Nicht gefunden. Die Postbeamtin gibt einen neuen Hinweis und ich komme mir vor wie in einem Ratespiel: „Möbel“. Wieder raus, Tischler suchen. In seinem Laden sitzt eine Japanerin und schaut auf ihre Schachteln hinab, an denen der Händler gerade herum hantiert. Er geht mal kurz Stoff kaufen. Eine halbe Stunde später rückt er wieder an. Ich frage mich, womit er nähen wird. Inmitten von grün bemalten Hutschpferdchen und Werkzeug suche ich die Nähmaschine. Leider gibt es keine. Er wird die Hülle der zwei  80 x 40 cm großen Pakete mit der Hand nähen. 

Zu mir meint er, das Paket wäre wieder zu öffnen, da er den Inhalt sichten muss. Oh nein…! OK Hülle wieder runter, Karton auf, verdächtige Inhalte wie Gewürze (?) raus. Nun näht der Tischler sie „richtig“ zu, wie er behauptet, und pappt er an jedem Ende ein Siegel drauf. Als ich bemerke, dass er die Größe des Kartons verändert hat, ist es schon zu spät. Wer den Absender lesen will, muss nun die Naht wieder aufschneiden … 

ohne Kommentar
Währenddessen ist die Lage an der Front unverändert. Schmale Ärmchen mit Formularen strecken sich der Postbeamtin entgegen. Sie bedient drei Personen gleichzeitig. Das Wachssiegel ist OK. Nun das Formular ausfüllen und gegenüber von der Post drei Kopien anfertigen. Im Dickicht der Kleinbuden suche ich wieder den richtigen Shop. 

Wie gut, dass es heute Mittag für zwei Stunden Strom gibt (!!). Eine halbe Stunde später taucht der Besitzer auf, um mir klar zu machen, dass er keine Kopien anfertigt. Und dann geht auch noch dem Copyshop die Patrone aus. Eine dünne Frau sieht mich erblassen und geleitet mich zu einem weiteren Shop die Straße runter. Der Ausländerbonus rettet mich und ich schreite mit vier Zetteln aus dem Laden. Es ist 13.30 Uhr. Nur noch acht Mal unterschreiben, bezahlen und das war’s. Ein weiteres Duell mit der indischen Post wäre ausgefochten. Mal sehen, wer als erstes zuhause ist: das Paket oder ich.

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